Grobschnitt@home - Rezi Hagen 2011
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Grobschnitt@home - Rezi Hagen 2011
Die Rückkehr des unglaublichen Hausmeisters
„Es war einmal“ heißt jene zauberhafte Formel, die uns von Kindesbeinen an vertraut ist und dazu einlädt, Phantasiereisen in märchenhafte Länder zu unternehmen und an zauberhaften Ereignissen Anteil zu haben. Wir assoziieren diese von Mystik durchfluteten Welten mit Rittern, Hexen, Feen und allerlei magischem Getier - ein Hausmeister würde in Rapunzels Own Country doch eher prosaisch anmuten… nicht jedoch in den Landschaften eines ganz speziellen krautrockigen Musikmärchens. Die Rede ist hier selbstverständlich von „Rockpommel’s Land“, jener verträumten Rockoper, dem neben „Solar Music“ bekanntesten Werk von „Grobschnitt“
Die Band hatte in ihrer langjährigen Historie immer ein besonderes Verhältnis zu den Hausmeistern der Hallen, Gemeindehäuser und anderer Spielorte - so manchen Vertreter dieser Spezies brachten sie durch den Einsatz von Pyro, Kunstschnee und Trockeneisnebel an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Vilerorts vertagte sich der Feierabend für diese Hallenwarte wegen der langen Konzertdauer der Hagener Rockurgesteine bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages. Da diese Hassliebe zu jener Berufsgruppe die Band von Anbeginn ihrer Tourneeaktivitäten stets zu begleiten schien, war es nicht verwunderlich, dass sie den deutschen Hausmeister schließlich als Bühnenfigur in ihre Shows zu integrieren begannen - in diese Rolle schlüpfte kongenial Toni Moff Mollo - letztmalig war er anno 1985 in diesem Kostüm aufgetreten…: Arbeitskittel, Schiebermütze, Schnurrbart. Doch nun, nach über 25 Jahren, war es wieder soweit:
„Grobschnitt“ gaben sich die Ehre in ihrer Heimatstadt Hagen, und diesr Auftritt im Januar 2011 war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Wie von den übrigen Shows der „Rockpommel’s Land“-Tour bekannt, betraten Sänger und Gitarrist Willi Wildschwein nebst Sangesbruder und Bassmann Milla Kapolke die Bühne der proppenvollen Hagener Stadthalle, um das Publikum auf den Ablauf des Abends einzustimmen. Zusätzlich zu den beiden betrat, sehr zur Freude der Zuschauer, auch Toni Moff Mollo, angetan in der Zunft der Hausmeister, die Bretter, die an diesem Abend die Rockwelt bedeuteten. Während Willis und Millas Begrüßung machte er nicht nur die Bühne sauber, sondern auch seine beliebten Faxen.
Rechtzeitig zum Start des musikalischen Teils begab sich Toni dann doch an seinen Stammplatz auf der Bühne: das Lichtpult mit dem Gesangsmikro. Der rockende Hausmeister dürfte noch immer der einzige Mensch im Business sein, der gleichzeitig die Lightshow mixt und singt.
Ich möchte nun weder Eulen nach Athen tragen noch Marabus nach „Rockpommel’s Land“: die Aufführung des kompletten Rockmärchens anlässlich der Jubiläumstour „40 Jahre Grobschnitt“ war schon Gegenstand vieler Beschreibungen und Rezis, auch aus meiner Tastatur. Und dennoch könnte man zu jeder Aufführung von Neuem schreiben, als wäre es die Premiere gewesen. In dem vielschichtigen WErk stecken so viele Themen und Motive, dass man stets neue Aspekte entdeckt - unglaublich bei einem WErk, dessen Entstehung über 30 Jahre zurück liegt. Dies ist zum einen begründet in der progressiv-verspielten Komposition, aber auch in der Interpretation der Liveband. Si hat das Rockmärchen nicht nur Note für Note einstudiert, sondern es mit neuem, zeitgemäßem Flair versehen, ohne sich an irgendwelche modischen Trends anzubiedern. Bereits in dem eigens für diese Tour komponierten Vorspiel wird die Tiefe und die traumhafte Qualität des ganzen Oeuvres deutlich. Wer mag, kann gerne Vergleiche mit der Musik von „Genesis“ oder „Yes“ anstellen - aber das ist lediglich eine ungenaue Standortbestimmung für ein ganz eigenes Klanguniversum. Willi Wildschweins Stimme ist unvergleichlich mit der irgendeines anderen Artikulationsakrobaten aus den Gefilden der Populärmusik. Ob er nun angebluest ins Mikro phrasiert, verträumte Melodien á la „Anywhere“ schmachtet oder in „Severity Town“ jede Nuance der erzählten Geschichte umsetzt - er trifft nicht nur die richtigen Töne, er weiß sie auch in Emotionen zu kleiden. Logo, dass dies bei einem Heimspiel noch mehr auffällt als sonst. Auch Tonis typische Sangeskünste ergänzen Wildschweins Leadgesang kongenial mit Harmony Vocals zwischen zart und powervoll.
Das Zusammenspiel der Musiker ist präzise und doch von einem Feeling getragen, das unmittelbar spürbar ist, und, wenn der letzte Gitarrenakkord des Rockmärchens erklingt, hat jeder und jede, der oder die sich für diese Art der Musik öffnen kann, einen Overflow an Gefühlen, der sich bei manchem glatt Richtung Tränendrüse entlädt.
Dazu kommt noch, dass die Musik ja nur ein Bestandteil des Gesamtkunstwerks „Grobschnitt“ ist - die Show ist, wie gewohnt, geschmackvoll mit Licht und Feuer, Nebel und Kostümen und vilerlei Requisiten umgesetzt: da zaubern Stagemen und -women das Verkehrschaos von „Severity Town“ live auf die Bühne, nebst dem legendären Crash, der mit den Worten „Fahr’ schneller, Du Ochse“ eingeleitet wird, auf die Bühne, die in Steinwesen verwandelten Bösewichter tanzen im Scheinwerferlicht zu den Klängen der Blechtrommel von Klein Ernie, dem erklärten Helden der Geschichte - und auch der mystische Vogel Marabu darf natürlich nicht fehlen.
Es ist einfach so viel zu sehen und zu hören, dass jede Aufführung dieses Opus wirkt wie eine Premiere - und, was unglaublich scheint, war an diesem denkwürdigen Samstagabend tatsächlich war: Für Hagen war es eine wirkliche Premiere. Das bedeutendste WErk der bekanntesten Band der Stadt (neben „Nena“ und „Extrabreit“)war an diesem Ort noch nie in der vollständigen Fassung über die Bühne gegangen.
Schließlich sind die bösen Blackshirts besiegt und Frieden kehrt ein in Rockpommel’s Land - Ende gut, alles gut? Zeit für Freude und Eierkuchenbackstage? Ende eines hübschen Rockabends?
Mitnichten! Die Dauer eines normalen Grobschnittkonzerts toppt selbst „Ben Hur“. Das Märchen um den kleinen Ernie, der einen Vogel hat und so der ERlöser der geknechteten Kinder jenes fantastischen Reichs wird, ist nur der Auftakt - nach einer kurzen Pause wird weiter gerockt.
Wer, als häufiger Konzertgänger, nun glaubt, schon zu wissen, wie’s weitergeht, hat sich aber dennoch getäuscht. Denn für ein Spiel in heimischen Hallen zaubern die Groben gern die eine oder andere Überraschung zusätzlich aus den Ärmeln. So wurde in dem wilden Medley, das die zweite Konzerthälfte üblicherweise eröffnet, die MarihuanaHymne „Mary Green“ gestrichen - allerdings beileibe nicht ersatzlos: der schon lange nicht mehr zu Gehör gebrachte „Vater Schmidt“ wurde aus der Versenkung geholt, der Mumifizierung entrissen und erneut auf Wandertag geschickt… in einem Plastikwald? Passt ja in den Tagen von „Stuttgart 21“ wie die Faust auf’s Auge - und darf somit natürlich nicht unkommentiert bleiben. Und tatsächlich: nahtlos schließt sich „Wir wollen leben“, einziger Singlehit der Band aus den seligen 80ern, an. War er im Rahmen der „Next Party“-tour 2007 bis 2009 nur unplugged zu erleben gewesen, gab es hier wieder einmal die originalen Sounds um die Ohren - wie zuletzt an ebendieser Stelle der Republik, beim Abschiedskonzert 1989. Ein bewegender Moment, der natürlich nach Mitgröhlen verlangte - das Publikum tat dies mit solcher Inbrunst, dass kleine Veränderungen im Originaltext gar nicht mehr auffielen - sehr wohl allerdings das neue musikalische Arrangement: ungleich rockiger als das Original wurde das Lied von jener Schlagerhaftigkeit befreit, die ihm von Fans oft angelastet worden war. Auch das instrumentelle Kleinod „Silent Movie“ durfte natürlich nicht fehlen, dann die wuchtige Öko-Ballade „Könige der Welt“, die vor allem durch die Gitarrenarbeit von Nuki Danielak und Manu Kapolke einen Gänsehautschauer nach dem anderen hervorruft - manchmal ist das fast zu schön, um wahr zu sein.
Und dann noch ein Song vor dem Zugabenteil -wo, von der typischen Rockdramaturgie her, eigentlich der Singlehit einer Band zu stehen hat, werden „Grobschnitt“ symphonisch: „Solar Music“, in einer nahezu 60minütigen Fassung mit Highlights aus der bewegten Geschichte dieses WErkes von den frühen 70ern bis heute - 40 Jahre Rockgeschichte in einer Stunde. Auf der Suche, ein Adjektiv für diese Aufführung des zweiten großen Klassikers neben dem phänomenalen „Rockpommel’s Land“ zu finden, fällt mir nur eines ein: beseelt. War die Gitarrenarbeit der beiden Youngsters an den Saiten bereits zuvor jenseits von gut und böse, wurden die Soli nunmehr vollends ekstatisch. Auch die Rhythmusgruppe um das trommelnde Duo Infernale, Admiral Top Sahne-Möller und Demian Hache und den Basser Milla Kapolke wirbelt die Zuhörer von einer Stimmung in die nächste, von einem emotionalen Höhenflug zum Nächsten - bei einer solchen Achterbahnfahrt musikalischer Natur würde ich ansonsten anraten: Augen zu und genießen - bei „Grobschnitt“ wäre dies fehl am Platze! Wer hier die Augen verschließt, verpasst so vieles: da kämpfen Gut und Böse mit Laserschwertern, der Sonnengott kommt persönlich auf die Bühne und Funken sprühen, bengalisches Feuer flammt auf und die Lichtregie von Toni tut ihr Übriges.
Schlucken muss ich, als schließlich grüne Laserstrahlen über die Köpfe des Publikums züngeln, als Wellen wabern, Gittermuster flirrend zu faszinierenden Mustern formen - auch dies hatten „Grobschnitt“ im vorigen Jahrhundert nur als besonderes Schmankerl beim allerletzten Konzert eingesetzt.
Irgendwann ist natürlich auch das opulenteste Festmahl für Ohren und Augen zu Ende - dieses Konzert wurde jedenfalls von einer „Solar Music“ beschlossen, die als „definitiv“ eingestuft werden muss. Man darf gar nicht daran denken, dass diesr Abend nur einer der Zusatztermine der Tour war - eigentlich sollte die Konzertreihe bereits Ende 2010 abgeschlossen sein - und dann hätten wir diese unglaubliche Version des Sonnentanzes niemals zu Gesicht und zu Ohren bekommen. Glücklicherweise hält einen ein mitreißender Zugabenblock von weiteren Melancholie- und Was-wäre-wenn-Ausbrüchen ab und mit dem auftritt zweier Horror-Wikinger… Moment mal - ZWEI? Normalerweise kommt zum elegischen Finale ein gehörnter Teutone mit einem Kerzenleuchter auf die Bühne und legt ihn ehrfurchtsvoll vor den Zuhörern ab - diesmal tauchten gleich zwei diesr mythologischen Wesen auf und kabbelten sich gestikulierend… wie gesagt: Heimspiele sind für „Grobschnitt“ immer ein Grund, die eine oderandere Überraschung zusätzlich aus dem Ärmel zu zaubern.
In jedem Falle war dieses Konzerterlebnis ein wirklich überwältigendes Event und im Angesichte einer solchen Show bleibt nur zu hoffen, dass die angekündigte „kreative Pause“ der Band ihre Betonung auf „kreativ“ legt und nicht wieder 18 Jahre Ruhe in deutschen Konzertsälen ist… Sonst müssen wir Fans, in Anlehnung an einen bekannten Text unserer LIeblingsgruppe wohl singen:
„Zehntausend haben heute etwas Angst,
dass es zu Ende geht, das Spiel!
Zehntausend und es werden immer mehr!
Für uns gibt’s nur das eine Ziel:
Wir wollen Grobschnitt!
Wir wollen Grobschnitt!
Wir wollen Grobschnitt!“
…und natürlich den Hausmeister!
Go for Love - Günni
„Es war einmal“ heißt jene zauberhafte Formel, die uns von Kindesbeinen an vertraut ist und dazu einlädt, Phantasiereisen in märchenhafte Länder zu unternehmen und an zauberhaften Ereignissen Anteil zu haben. Wir assoziieren diese von Mystik durchfluteten Welten mit Rittern, Hexen, Feen und allerlei magischem Getier - ein Hausmeister würde in Rapunzels Own Country doch eher prosaisch anmuten… nicht jedoch in den Landschaften eines ganz speziellen krautrockigen Musikmärchens. Die Rede ist hier selbstverständlich von „Rockpommel’s Land“, jener verträumten Rockoper, dem neben „Solar Music“ bekanntesten Werk von „Grobschnitt“
Die Band hatte in ihrer langjährigen Historie immer ein besonderes Verhältnis zu den Hausmeistern der Hallen, Gemeindehäuser und anderer Spielorte - so manchen Vertreter dieser Spezies brachten sie durch den Einsatz von Pyro, Kunstschnee und Trockeneisnebel an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Vilerorts vertagte sich der Feierabend für diese Hallenwarte wegen der langen Konzertdauer der Hagener Rockurgesteine bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages. Da diese Hassliebe zu jener Berufsgruppe die Band von Anbeginn ihrer Tourneeaktivitäten stets zu begleiten schien, war es nicht verwunderlich, dass sie den deutschen Hausmeister schließlich als Bühnenfigur in ihre Shows zu integrieren begannen - in diese Rolle schlüpfte kongenial Toni Moff Mollo - letztmalig war er anno 1985 in diesem Kostüm aufgetreten…: Arbeitskittel, Schiebermütze, Schnurrbart. Doch nun, nach über 25 Jahren, war es wieder soweit:
„Grobschnitt“ gaben sich die Ehre in ihrer Heimatstadt Hagen, und diesr Auftritt im Januar 2011 war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Wie von den übrigen Shows der „Rockpommel’s Land“-Tour bekannt, betraten Sänger und Gitarrist Willi Wildschwein nebst Sangesbruder und Bassmann Milla Kapolke die Bühne der proppenvollen Hagener Stadthalle, um das Publikum auf den Ablauf des Abends einzustimmen. Zusätzlich zu den beiden betrat, sehr zur Freude der Zuschauer, auch Toni Moff Mollo, angetan in der Zunft der Hausmeister, die Bretter, die an diesem Abend die Rockwelt bedeuteten. Während Willis und Millas Begrüßung machte er nicht nur die Bühne sauber, sondern auch seine beliebten Faxen.
Rechtzeitig zum Start des musikalischen Teils begab sich Toni dann doch an seinen Stammplatz auf der Bühne: das Lichtpult mit dem Gesangsmikro. Der rockende Hausmeister dürfte noch immer der einzige Mensch im Business sein, der gleichzeitig die Lightshow mixt und singt.
Ich möchte nun weder Eulen nach Athen tragen noch Marabus nach „Rockpommel’s Land“: die Aufführung des kompletten Rockmärchens anlässlich der Jubiläumstour „40 Jahre Grobschnitt“ war schon Gegenstand vieler Beschreibungen und Rezis, auch aus meiner Tastatur. Und dennoch könnte man zu jeder Aufführung von Neuem schreiben, als wäre es die Premiere gewesen. In dem vielschichtigen WErk stecken so viele Themen und Motive, dass man stets neue Aspekte entdeckt - unglaublich bei einem WErk, dessen Entstehung über 30 Jahre zurück liegt. Dies ist zum einen begründet in der progressiv-verspielten Komposition, aber auch in der Interpretation der Liveband. Si hat das Rockmärchen nicht nur Note für Note einstudiert, sondern es mit neuem, zeitgemäßem Flair versehen, ohne sich an irgendwelche modischen Trends anzubiedern. Bereits in dem eigens für diese Tour komponierten Vorspiel wird die Tiefe und die traumhafte Qualität des ganzen Oeuvres deutlich. Wer mag, kann gerne Vergleiche mit der Musik von „Genesis“ oder „Yes“ anstellen - aber das ist lediglich eine ungenaue Standortbestimmung für ein ganz eigenes Klanguniversum. Willi Wildschweins Stimme ist unvergleichlich mit der irgendeines anderen Artikulationsakrobaten aus den Gefilden der Populärmusik. Ob er nun angebluest ins Mikro phrasiert, verträumte Melodien á la „Anywhere“ schmachtet oder in „Severity Town“ jede Nuance der erzählten Geschichte umsetzt - er trifft nicht nur die richtigen Töne, er weiß sie auch in Emotionen zu kleiden. Logo, dass dies bei einem Heimspiel noch mehr auffällt als sonst. Auch Tonis typische Sangeskünste ergänzen Wildschweins Leadgesang kongenial mit Harmony Vocals zwischen zart und powervoll.
Das Zusammenspiel der Musiker ist präzise und doch von einem Feeling getragen, das unmittelbar spürbar ist, und, wenn der letzte Gitarrenakkord des Rockmärchens erklingt, hat jeder und jede, der oder die sich für diese Art der Musik öffnen kann, einen Overflow an Gefühlen, der sich bei manchem glatt Richtung Tränendrüse entlädt.
Dazu kommt noch, dass die Musik ja nur ein Bestandteil des Gesamtkunstwerks „Grobschnitt“ ist - die Show ist, wie gewohnt, geschmackvoll mit Licht und Feuer, Nebel und Kostümen und vilerlei Requisiten umgesetzt: da zaubern Stagemen und -women das Verkehrschaos von „Severity Town“ live auf die Bühne, nebst dem legendären Crash, der mit den Worten „Fahr’ schneller, Du Ochse“ eingeleitet wird, auf die Bühne, die in Steinwesen verwandelten Bösewichter tanzen im Scheinwerferlicht zu den Klängen der Blechtrommel von Klein Ernie, dem erklärten Helden der Geschichte - und auch der mystische Vogel Marabu darf natürlich nicht fehlen.
Es ist einfach so viel zu sehen und zu hören, dass jede Aufführung dieses Opus wirkt wie eine Premiere - und, was unglaublich scheint, war an diesem denkwürdigen Samstagabend tatsächlich war: Für Hagen war es eine wirkliche Premiere. Das bedeutendste WErk der bekanntesten Band der Stadt (neben „Nena“ und „Extrabreit“)war an diesem Ort noch nie in der vollständigen Fassung über die Bühne gegangen.
Schließlich sind die bösen Blackshirts besiegt und Frieden kehrt ein in Rockpommel’s Land - Ende gut, alles gut? Zeit für Freude und Eierkuchenbackstage? Ende eines hübschen Rockabends?
Mitnichten! Die Dauer eines normalen Grobschnittkonzerts toppt selbst „Ben Hur“. Das Märchen um den kleinen Ernie, der einen Vogel hat und so der ERlöser der geknechteten Kinder jenes fantastischen Reichs wird, ist nur der Auftakt - nach einer kurzen Pause wird weiter gerockt.
Wer, als häufiger Konzertgänger, nun glaubt, schon zu wissen, wie’s weitergeht, hat sich aber dennoch getäuscht. Denn für ein Spiel in heimischen Hallen zaubern die Groben gern die eine oder andere Überraschung zusätzlich aus den Ärmeln. So wurde in dem wilden Medley, das die zweite Konzerthälfte üblicherweise eröffnet, die MarihuanaHymne „Mary Green“ gestrichen - allerdings beileibe nicht ersatzlos: der schon lange nicht mehr zu Gehör gebrachte „Vater Schmidt“ wurde aus der Versenkung geholt, der Mumifizierung entrissen und erneut auf Wandertag geschickt… in einem Plastikwald? Passt ja in den Tagen von „Stuttgart 21“ wie die Faust auf’s Auge - und darf somit natürlich nicht unkommentiert bleiben. Und tatsächlich: nahtlos schließt sich „Wir wollen leben“, einziger Singlehit der Band aus den seligen 80ern, an. War er im Rahmen der „Next Party“-tour 2007 bis 2009 nur unplugged zu erleben gewesen, gab es hier wieder einmal die originalen Sounds um die Ohren - wie zuletzt an ebendieser Stelle der Republik, beim Abschiedskonzert 1989. Ein bewegender Moment, der natürlich nach Mitgröhlen verlangte - das Publikum tat dies mit solcher Inbrunst, dass kleine Veränderungen im Originaltext gar nicht mehr auffielen - sehr wohl allerdings das neue musikalische Arrangement: ungleich rockiger als das Original wurde das Lied von jener Schlagerhaftigkeit befreit, die ihm von Fans oft angelastet worden war. Auch das instrumentelle Kleinod „Silent Movie“ durfte natürlich nicht fehlen, dann die wuchtige Öko-Ballade „Könige der Welt“, die vor allem durch die Gitarrenarbeit von Nuki Danielak und Manu Kapolke einen Gänsehautschauer nach dem anderen hervorruft - manchmal ist das fast zu schön, um wahr zu sein.
Und dann noch ein Song vor dem Zugabenteil -wo, von der typischen Rockdramaturgie her, eigentlich der Singlehit einer Band zu stehen hat, werden „Grobschnitt“ symphonisch: „Solar Music“, in einer nahezu 60minütigen Fassung mit Highlights aus der bewegten Geschichte dieses WErkes von den frühen 70ern bis heute - 40 Jahre Rockgeschichte in einer Stunde. Auf der Suche, ein Adjektiv für diese Aufführung des zweiten großen Klassikers neben dem phänomenalen „Rockpommel’s Land“ zu finden, fällt mir nur eines ein: beseelt. War die Gitarrenarbeit der beiden Youngsters an den Saiten bereits zuvor jenseits von gut und böse, wurden die Soli nunmehr vollends ekstatisch. Auch die Rhythmusgruppe um das trommelnde Duo Infernale, Admiral Top Sahne-Möller und Demian Hache und den Basser Milla Kapolke wirbelt die Zuhörer von einer Stimmung in die nächste, von einem emotionalen Höhenflug zum Nächsten - bei einer solchen Achterbahnfahrt musikalischer Natur würde ich ansonsten anraten: Augen zu und genießen - bei „Grobschnitt“ wäre dies fehl am Platze! Wer hier die Augen verschließt, verpasst so vieles: da kämpfen Gut und Böse mit Laserschwertern, der Sonnengott kommt persönlich auf die Bühne und Funken sprühen, bengalisches Feuer flammt auf und die Lichtregie von Toni tut ihr Übriges.
Schlucken muss ich, als schließlich grüne Laserstrahlen über die Köpfe des Publikums züngeln, als Wellen wabern, Gittermuster flirrend zu faszinierenden Mustern formen - auch dies hatten „Grobschnitt“ im vorigen Jahrhundert nur als besonderes Schmankerl beim allerletzten Konzert eingesetzt.
Irgendwann ist natürlich auch das opulenteste Festmahl für Ohren und Augen zu Ende - dieses Konzert wurde jedenfalls von einer „Solar Music“ beschlossen, die als „definitiv“ eingestuft werden muss. Man darf gar nicht daran denken, dass diesr Abend nur einer der Zusatztermine der Tour war - eigentlich sollte die Konzertreihe bereits Ende 2010 abgeschlossen sein - und dann hätten wir diese unglaubliche Version des Sonnentanzes niemals zu Gesicht und zu Ohren bekommen. Glücklicherweise hält einen ein mitreißender Zugabenblock von weiteren Melancholie- und Was-wäre-wenn-Ausbrüchen ab und mit dem auftritt zweier Horror-Wikinger… Moment mal - ZWEI? Normalerweise kommt zum elegischen Finale ein gehörnter Teutone mit einem Kerzenleuchter auf die Bühne und legt ihn ehrfurchtsvoll vor den Zuhörern ab - diesmal tauchten gleich zwei diesr mythologischen Wesen auf und kabbelten sich gestikulierend… wie gesagt: Heimspiele sind für „Grobschnitt“ immer ein Grund, die eine oderandere Überraschung zusätzlich aus dem Ärmel zu zaubern.
In jedem Falle war dieses Konzerterlebnis ein wirklich überwältigendes Event und im Angesichte einer solchen Show bleibt nur zu hoffen, dass die angekündigte „kreative Pause“ der Band ihre Betonung auf „kreativ“ legt und nicht wieder 18 Jahre Ruhe in deutschen Konzertsälen ist… Sonst müssen wir Fans, in Anlehnung an einen bekannten Text unserer LIeblingsgruppe wohl singen:
„Zehntausend haben heute etwas Angst,
dass es zu Ende geht, das Spiel!
Zehntausend und es werden immer mehr!
Für uns gibt’s nur das eine Ziel:
Wir wollen Grobschnitt!
Wir wollen Grobschnitt!
Wir wollen Grobschnitt!“
…und natürlich den Hausmeister!
Go for Love - Günni
...ich lese nur mit. Lange Beiträge sind nicht mein Ding.
Kompliment Günni! Du hast mit Deiner Rezi mal wieder den berühmten Nagel auf den Kopf getroffen. Dein Vorschlag für einen Chor der Fans die "Angst" haben, daß das "Spiel" der "Groben" doch bald enden könnte, finde ich richtig gut.
Vielleicht lässt sich für die restlichen 4 Konzerte noch eine "Chorprobe" einrichten? Damit die nun bald drohende "Pause" dann aber auch wirklich nur eine "kreative" sein möge...
In diesem Sinne
Beste Grüße
"Chorknabe" Franky

Vielleicht lässt sich für die restlichen 4 Konzerte noch eine "Chorprobe" einrichten? Damit die nun bald drohende "Pause" dann aber auch wirklich nur eine "kreative" sein möge...
In diesem Sinne
Beste Grüße
"Chorknabe" Franky







Stein im Schuh eben
- martin-green
- Otto Pankrock
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- Registriert: 19.01.2011, 17:55
- Wohnort: West-Berlin
Lieber Günni! Das ist ja der Hammer!Deinen Text muss ich ausdrucken hoffentlich hat der Drucker noch genug Tinte und dann setze ich mich gemütlich bei einer Tasse Kaffee und übriggeblieb enen Weihnachtsstollen und lasse mir Deine Laudatio schmecken, meinen Kommentar gebe ich dann später ab.Bis bald Mr.Green
Der Kampf geht weiter ........rock on
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-
- Alter Zauberer
- Beiträge: 1624
- Registriert: 27.04.2008, 18:19
- Wohnort: Plön, im schönsten Bundesland der Welt!
Tja, wer nicht hören und sehen kann, der muss eben lesen ......
Mensch Günni, dank deiner Rezitation war ich nun doch für ein Weilchen in Hagen!
Große Klasse, mal wieder ein Referenzwerk der Kunst der lebendigen Konzerterlebnisbeschreibung!
Herzlichen Dank, besonders unter dem Aspekt, dass es dich enorm viel Aufwand kostet, so etwas "zu Papier" zu bringen!
Einfach erstaunlich, was du alles "siehst".
Es gibt zwar das Sprichwort: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte", und das mag in mancherlei Hinsicht zutreffend sein, aber ein Konzert und im Besonderen eines dem man nicht beiwohnen konnte, ist nicht besser zu vermitteln, als durch Wort und Bild
Beides zusammen ergibt gerade durch die Unterschiedlichkeit der Sinnesaufnahme ein besonderes, fast vollständiges Gesamtbild.
Fehlt "nur" noch die Musik! Und da sind wir glücklicherweise in der Lage die eine oder andere CD in den Player zu schieben!
Somit möchte ich an dieser Stelle allen Konzert-Rezensenten und -Fotografen herzlich danken für ihre -in meinen Augen- professionelle Arbeit, die es ja eindeutig ist, auch wenn`s Spaß macht!!!
Dennoch, bei aller Wertschätzung bleibe ich dabei:
Nichts geht über die persönliche Anwesenheit!
Und so freue ich mich -mehr als ich beschreiben kann- auf "wenigstens" noch die nächsten drei von vier Konzerten!
Gruß, Heiko

Mensch Günni, dank deiner Rezitation war ich nun doch für ein Weilchen in Hagen!
Große Klasse, mal wieder ein Referenzwerk der Kunst der lebendigen Konzerterlebnisbeschreibung!
Herzlichen Dank, besonders unter dem Aspekt, dass es dich enorm viel Aufwand kostet, so etwas "zu Papier" zu bringen!
Einfach erstaunlich, was du alles "siehst".
Nun stell mal dein Licht nich`unter`n Scheffel!barnie hat geschrieben:Hey Günni,
deine Rezi ist aussagekräftiger als 1000 meiner Fotos!!!
RUDI
Es gibt zwar das Sprichwort: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte", und das mag in mancherlei Hinsicht zutreffend sein, aber ein Konzert und im Besonderen eines dem man nicht beiwohnen konnte, ist nicht besser zu vermitteln, als durch Wort und Bild
Beides zusammen ergibt gerade durch die Unterschiedlichkeit der Sinnesaufnahme ein besonderes, fast vollständiges Gesamtbild.
Fehlt "nur" noch die Musik! Und da sind wir glücklicherweise in der Lage die eine oder andere CD in den Player zu schieben!

Somit möchte ich an dieser Stelle allen Konzert-Rezensenten und -Fotografen herzlich danken für ihre -in meinen Augen- professionelle Arbeit, die es ja eindeutig ist, auch wenn`s Spaß macht!!!
Dennoch, bei aller Wertschätzung bleibe ich dabei:
Nichts geht über die persönliche Anwesenheit!
Und so freue ich mich -mehr als ich beschreiben kann- auf "wenigstens" noch die nächsten drei von vier Konzerten!



Gruß, Heiko
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- Schwein im Weltall
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Hey Günni, das Warten hat sich also gelohnt.
Treffender, wie Du es formuliert und zu Papier gebracht hast, geht es nicht. Das soll die Leistung der anderen Schreiberlinge zum Hagener Konzert nicht schmälern, Du gibst bei Deiner Rezi nur feine Nuancen wieder, die sonst unter den Tisch gefallen wären.
Go for the next Konzert and Rezi from Günni
Treffender, wie Du es formuliert und zu Papier gebracht hast, geht es nicht. Das soll die Leistung der anderen Schreiberlinge zum Hagener Konzert nicht schmälern, Du gibst bei Deiner Rezi nur feine Nuancen wieder, die sonst unter den Tisch gefallen wären.
Go for the next Konzert and Rezi from Günni
Hi Günni,
ich bin mal wieder sprachlos, wie du es wieder schaffst das Erlebnis in Worte zu kleiden. Eigentlich wollte ich nur kurz mal schauen, was es so im Forum gibt (hab heut wenig Zeit) und konnte mich von deinem Text doch nicht loseisen.
Es ist mir immer eine Freude deine Rezensionen, die mit soviel Wortwitz, Verstand und Emotionen gespickt sind zu lesen. Einfach toll !!!
ich bin mal wieder sprachlos, wie du es wieder schaffst das Erlebnis in Worte zu kleiden. Eigentlich wollte ich nur kurz mal schauen, was es so im Forum gibt (hab heut wenig Zeit) und konnte mich von deinem Text doch nicht loseisen.
Es ist mir immer eine Freude deine Rezensionen, die mit soviel Wortwitz, Verstand und Emotionen gespickt sind zu lesen. Einfach toll !!!
Steve
When we feel, when we dream, when we love we can meet there beyond Rockpommel's Land!!!
When we feel, when we dream, when we love we can meet there beyond Rockpommel's Land!!!
Günni, Respekt, wie immer!!!! Besser kann das wirklich keiner machen!
Du solltest dir langsam mal die Frage stellen, ob du nicht mal ein Buch über Grobschnitt schreiben sollst???
Ich glaube, es würde alsbald die Bestenliste in Deutschland erstürmen!
Gruß Ketchup
Du solltest dir langsam mal die Frage stellen, ob du nicht mal ein Buch über Grobschnitt schreiben sollst???
Ich glaube, es würde alsbald die Bestenliste in Deutschland erstürmen!
Gruß Ketchup
Illegal - Scheißegal - bis zum nächsten mal
Hi Günni,
vielen Dank für deine Rezi
Beim lesen kann ich die tolle Atmosphäre und das Dröhnen von Millas Bass schon fast wieder körperlich fühlen.
Fast kommt jetzt doch ein wenig Wehmut auf, das dieses Konzert für mich wohl das einzige für 2011 sein wird.
Aber auch mit Hilfe deiner Rezi wird es mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

LG Andreas
vielen Dank für deine Rezi

Beim lesen kann ich die tolle Atmosphäre und das Dröhnen von Millas Bass schon fast wieder körperlich fühlen.

Fast kommt jetzt doch ein wenig Wehmut auf, das dieses Konzert für mich wohl das einzige für 2011 sein wird.
Aber auch mit Hilfe deiner Rezi wird es mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben.


LG Andreas
Es ist einfacher das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu machen.
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Danke für die Blumen! Dennoch ist mir ein Lapsus passiert: ich habe Tatti mit keiner Silbe erwähnt! Sorry, habe ihn nicht vergessen - für mich war, trotz allen solistischen Brillierens aller Musiker an diesem Abend vor allem der Eindruck eines sehr dichten Gruppensounds aufgefallen, und dass alles so herrlich am Fließen war. Daher habe ich in diesem Artikel die Soli gemeinhin nur erwähnt und nicht ausführlich umschrieben - und da fiel Tatti leider irgendwie durch's Raster. Aber natürlich ist seine Arbeit an den Keys ein wichtiger Teil des Gesamten und auch ein enormes Fundament eben für die erwähnte Dichte!
Das wollte ich wenigstens hier noch nachgeholt haben!
Also: Nix für ungut, Tatti
!
Go for Love -^ Günni
Das wollte ich wenigstens hier noch nachgeholt haben!
Also: Nix für ungut, Tatti


Go for Love -^ Günni
...ich lese nur mit. Lange Beiträge sind nicht mein Ding.