Grobschnitt im Buch "Krautrock"
Verfasst: 28.12.2009, 11:38
Ich hab euch, aus gegebenen Anlass mal die Text aus dem Buch abgeschrieben. Viel Spaß beim lesen.
Krauttheater: Grobschnitt
Sie galten Ende der Siebziger als eine der besten deutschen Livebands schlechthin. Die Hagener Grobschnitt überzeugten mit einer ausgefeilten Bühnenshow, die Elemente aus Theater, Feuerwerk, Lightshow und politischem Klamauk zu einem schrägen Gesamtkunstwerk verband. Musikalischer Dauerbrenner bei den Konzerten wurde das in seiner Länge variable und zuweilen bis zu einer Stunde lange Improvisationsstück „Solar Music“.
Die Formation geht 1970 aus den beiden Hagener Gruppen Charing Cross und Wutpickel hervor und wird nach einem Foto aus dem Ersten Weltkrieg benannt, das die „Kapelle Grobschnitt“ mit selbst gebastelten Instrumenten zeigt. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Rainer Loskand (alias Toni Moff Mollo, Gesang), Gerd Otto „Lupo“ Kühn (Gitarre), Stefan „Willi Wildschwein“ Danielak (Gesang, Gitarre, Saxofon), Joachim H. „Eroc“ Ehrig (Schlagzeug, Percussion, Elektronik), Bernhard „Baer“ Uhlemann (Bass), Axel „Felix“ Harlos (zweites Schlagzeug) und Hermann „Quecksilber“ Quetting (Orgel).
1972 erscheint die erste LP mit dem Titel Grobschnitt. Danach verlassen Harlos und Quecksilber die Band und werden durch Volker „Mist“ Kahrs und Ralf „John McPorneaux“ Gräber ersetzt. Die Besetzung verändert sich in den folgenden Jahren noch mehrfach, und mit ihr wandelt sich auch der musikalische Stil, der aber immer eine Balance zwischen klassischem Rock, offenen Strukturen und opulenter Inszenierung sucht. Ähnlich konsequent beibehalten wird die Masche mit den etwas dämlichen Pseudonymen. Im Herbst 1972 sorgen Grobschnitt auf einer Tour durch Norddeutschland für Furore: Das Konzertplakat zeigt ein gekreuzigtes, eierlegendes Monster, das in manchen Orten überklebt werden muss.
Auf dem 1974 veröffentlichten Doppelalbum Ballermann ist schließlich der Klassiker „Solar Music“ enthalten. Im ersten Titel „Sahara“ wettert die Band dagegen, dass es auch für deutschen Bands offenbar zum guten Ton gehört, englische Texte zu verfassen. Gleichwohl erscheint der mit dem neuen Bassisten Wolfgang „Popo“ Jäger eingespielte Jumbo 1975 zunächst in der englischen Version (1976 in Deutsch). Die Jugendpostille Bravo berichtet über die Band.
Bis Februar 1977 sind Grobschnitt im Studio von Conny Plank mit der Arbeit an ihrer nächsten LP, Rockpommels Land, beschäftigt. Das Rockmärchen erscheint abermals in englischer Sprache, immerhin mit einer deutschen Textbeilage. Während der Produktion macht Lupo in einem Interview mit der Zeitschrift Fachblatt seinem Ärger über das bisherige Presseecho Luft. Auf einer Tournee durch hundert deutsche Städte wird das Livealbum Solar Music Live (1978) mitgeschnitten. Die WDR-Sendung Rockpalast strahlt einen Konzertmitschnitt aus, und der Musikexpress kürt Grobschnitt zur beliebtesten Gruppe des Jahres.
Merry Go Round, so schreibt Zeitschrift Pop 1979, sei als „wunderbar gelungene Ersatzdroge“ allen Pink Floyd-, Yes- und Genesis-Fans zu empfehlen. Im November desselben Jahres frotzelt der Musikexpress, Grobschnitt seien in Wirklichkeit Village People, die nun „handfeste deutsche Rockmusik“ machten, „vergleichbar etwa mit Grobschnitt“.
Mit ein paar Zugeständnissen an den Zeitgeist und nicht zuletzt aufgrund ihres passenden deutschen Gruppennamens gelingt es der Band dennoch, sich in die von der NDW bestimmten Achtziger hinüberzuretten. 1981 wird die Single „Silent Movie“ sogar ein Charterfolg. Weitere Alben und Besetzungswechsel folgen, bis die Gruppe 1989 – vereint mit sämtlichen Bandmitgliedern vergangener Tage – in einem fünfstündigen Konzert in der Stadthalle Hagen Abschied von ihren Fans nimmt.
In einer Besetzung aus Veteranen und Musikersöhnen ist die Formation inzwischen wieder auf deutschen Bühnen unterwegs. Grobschnitt bestehen 2007 aus: Willi Wildschwein (Gesang, Gitarre), Milla Kapolke (Gesang, Bass), Toni Moff Mollo (Gesang, Lightshow), Nuki Danielak (Gitarre, Gesang), Manu Kapolke (Gitarre, Gesang), Deva Tattva (Keyboards), Demian Hache (Percussion) und Admiral Top Sahne (Schlagzeug).
Aus „Krautrock – Underground, LSD und kosmische Kuriere“ von Henning Dedekind, erschienen im Hanibal Verlag
Gruß aus Berlin
Guido oder auch Vater Schmidt

Krauttheater: Grobschnitt
Sie galten Ende der Siebziger als eine der besten deutschen Livebands schlechthin. Die Hagener Grobschnitt überzeugten mit einer ausgefeilten Bühnenshow, die Elemente aus Theater, Feuerwerk, Lightshow und politischem Klamauk zu einem schrägen Gesamtkunstwerk verband. Musikalischer Dauerbrenner bei den Konzerten wurde das in seiner Länge variable und zuweilen bis zu einer Stunde lange Improvisationsstück „Solar Music“.
Die Formation geht 1970 aus den beiden Hagener Gruppen Charing Cross und Wutpickel hervor und wird nach einem Foto aus dem Ersten Weltkrieg benannt, das die „Kapelle Grobschnitt“ mit selbst gebastelten Instrumenten zeigt. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Rainer Loskand (alias Toni Moff Mollo, Gesang), Gerd Otto „Lupo“ Kühn (Gitarre), Stefan „Willi Wildschwein“ Danielak (Gesang, Gitarre, Saxofon), Joachim H. „Eroc“ Ehrig (Schlagzeug, Percussion, Elektronik), Bernhard „Baer“ Uhlemann (Bass), Axel „Felix“ Harlos (zweites Schlagzeug) und Hermann „Quecksilber“ Quetting (Orgel).
1972 erscheint die erste LP mit dem Titel Grobschnitt. Danach verlassen Harlos und Quecksilber die Band und werden durch Volker „Mist“ Kahrs und Ralf „John McPorneaux“ Gräber ersetzt. Die Besetzung verändert sich in den folgenden Jahren noch mehrfach, und mit ihr wandelt sich auch der musikalische Stil, der aber immer eine Balance zwischen klassischem Rock, offenen Strukturen und opulenter Inszenierung sucht. Ähnlich konsequent beibehalten wird die Masche mit den etwas dämlichen Pseudonymen. Im Herbst 1972 sorgen Grobschnitt auf einer Tour durch Norddeutschland für Furore: Das Konzertplakat zeigt ein gekreuzigtes, eierlegendes Monster, das in manchen Orten überklebt werden muss.
Auf dem 1974 veröffentlichten Doppelalbum Ballermann ist schließlich der Klassiker „Solar Music“ enthalten. Im ersten Titel „Sahara“ wettert die Band dagegen, dass es auch für deutschen Bands offenbar zum guten Ton gehört, englische Texte zu verfassen. Gleichwohl erscheint der mit dem neuen Bassisten Wolfgang „Popo“ Jäger eingespielte Jumbo 1975 zunächst in der englischen Version (1976 in Deutsch). Die Jugendpostille Bravo berichtet über die Band.
Bis Februar 1977 sind Grobschnitt im Studio von Conny Plank mit der Arbeit an ihrer nächsten LP, Rockpommels Land, beschäftigt. Das Rockmärchen erscheint abermals in englischer Sprache, immerhin mit einer deutschen Textbeilage. Während der Produktion macht Lupo in einem Interview mit der Zeitschrift Fachblatt seinem Ärger über das bisherige Presseecho Luft. Auf einer Tournee durch hundert deutsche Städte wird das Livealbum Solar Music Live (1978) mitgeschnitten. Die WDR-Sendung Rockpalast strahlt einen Konzertmitschnitt aus, und der Musikexpress kürt Grobschnitt zur beliebtesten Gruppe des Jahres.
Merry Go Round, so schreibt Zeitschrift Pop 1979, sei als „wunderbar gelungene Ersatzdroge“ allen Pink Floyd-, Yes- und Genesis-Fans zu empfehlen. Im November desselben Jahres frotzelt der Musikexpress, Grobschnitt seien in Wirklichkeit Village People, die nun „handfeste deutsche Rockmusik“ machten, „vergleichbar etwa mit Grobschnitt“.
Mit ein paar Zugeständnissen an den Zeitgeist und nicht zuletzt aufgrund ihres passenden deutschen Gruppennamens gelingt es der Band dennoch, sich in die von der NDW bestimmten Achtziger hinüberzuretten. 1981 wird die Single „Silent Movie“ sogar ein Charterfolg. Weitere Alben und Besetzungswechsel folgen, bis die Gruppe 1989 – vereint mit sämtlichen Bandmitgliedern vergangener Tage – in einem fünfstündigen Konzert in der Stadthalle Hagen Abschied von ihren Fans nimmt.
In einer Besetzung aus Veteranen und Musikersöhnen ist die Formation inzwischen wieder auf deutschen Bühnen unterwegs. Grobschnitt bestehen 2007 aus: Willi Wildschwein (Gesang, Gitarre), Milla Kapolke (Gesang, Bass), Toni Moff Mollo (Gesang, Lightshow), Nuki Danielak (Gitarre, Gesang), Manu Kapolke (Gitarre, Gesang), Deva Tattva (Keyboards), Demian Hache (Percussion) und Admiral Top Sahne (Schlagzeug).
Aus „Krautrock – Underground, LSD und kosmische Kuriere“ von Henning Dedekind, erschienen im Hanibal Verlag
Gruß aus Berlin
Guido oder auch Vater Schmidt