Hallo Ihr Lieben,
hier ein sehr schöner Bericht vom Herzberch von "Old Hippie" aussem Freakcity-Forum:
Hallo liebe Hippies,
es wird wieder Zeit für die alljährliche Herzbergrezension.
Nachdem ich nun zwei völlig unterschiedliche Festivals - das Festival am Herzberg und das Wutzdogfestival bei Hachborn - unmittelbar nacheinander besucht habe, möchte ich euch endlich meine Eindrücke zum Herzbergfestival mitteilen.
Der Berg rief und alle, alle kamen zur großen Party der Herzbergfamilie. Wie formulierte es Gert Lange der Sänger der Herzberg Blues Allstars doch so treffend:
ON MY WAY BACK HOME... und ich füge hinzu TO THE HERZBERGFAMILY.
Anreise, Aufbau und Geschichte
Schon die Anreise war ein Traum und die reine Erholung. Bei Temperaturen um die zwanzig Grad, unter einem weiß-blauen Himmel und guter Mukke im Fahrzeug cruiste ich zum Berg.
Dort angekommen, konnte ich bereits am Sonntag Nachmittag etliche Besucher begrüßen und dabei zusehen wie sich das bunte Hippievolk so langsam am Berg niederließ.
Der Aufbau des Festivals war zu diesem Zeitpunkt schon derart weit fortgeschritten, dass die Verantwortlichen der weiteren Entwicklung entspannt entgegensehen konnten. Diese lockere Atmosphäre ist die Basis eines der friedlichsten und schönsten Festivals dieser Größenordnung in Deutschland, dessen Ursprung auf das Jahr 1968 zurückgeht.
Damals waren neben den Gründungsvätern den Petards, auch so bekannte Vertreter des Deutschrock wie Guru Guru, Jeronimo, Can und Amon Düül II, Frumpy, Embryo und Achim Reichel mit von der Partie.
Die ersten Auftritte deutscher Bands fanden ab 1968 noch auf der Burg Herzberg, nahe dem hessischen Alsfeld, statt und waren die ersten Open Air Hippie-Festivals in Deutschland. Ab 1973 gab es kein Festival mehr. Erst 1991 rief Kalle Becker das Festival neben der Burg wieder ins Leben. Nach einigen Jahren wurde der Platz auf dem Burggelände wegen des steigenden Bekanntheitsgrades zu klein. Seitdem findet das gleichnamige Festival jährlich am Fuße des Berges statt. Im Jahr 2002 organisierte Kalle Becker das letzte Festival an diesem Platz. Im Jahr 2003 wurde das Herzbergfestival von einer Gruppe Fuldaer Musikliebhaber und Fans wiederbelebt und ist jetzt wieder das größte Event seiner Art in Europa.
Jubiläum & Magie
Das Jubiläumsfestival bot für jung und alt ein wunderbares Kaleidoskop aktueller und traditioneller Musik an. Alle Register wurden gezogen und selbst der Himmel führte auch dieses Jahr wieder Regie. Weniger mit sintflutartigen Regengüssen als mit kleineren Schauern und den darauf folgenden farbigen Himmelserscheinungen. Und wieder einmal verzauberte die Magie des Berges alle Anwesenden.
Unter dem Motto "Sunshine of Our Love" präsentierte das Burg Herzberg Festival im Jubiläumsjahr 2008 im mittelhessischen Bergland mehr als vierzig Bands.
Bands, ein Ausschnitt
Donnerstag
Beginnend mit den PETARDS, die das Festival vor vierzig Jahren ins Leben riefen, über die Berliner Band BIRTH CONTROL, der TON STEINE SCHERBEN FAMILY, bis dahin alles musikalische Leckerbissen für die älteren Besucher, wurde der Donnerstag eingeleitet. Dabei sollen das vierzigjährige Bühnenjubiläum von Birth Control, die politischen Songs der „Scherben“ –bei denen viele Hippies mitsangen- und die bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben, nicht unerwähnt bleiben. Herauszuheben ist die TSSF schon alleine deswegen, weil ihre politischen Songs in deutscher Sprache zur besonderen Kultur des Deutschrocks zählen. Den Organisatoren möchte ich deshalb danken und ihnen empfehlen noch mehr in dieser Richtung aktiv zu werden.
Einen äußerst interessanten Auftritt brachte meines Erachtens, die französische Band LAZULI mit ihren futuristisch anmutenden Instrumenten und mehr elektronisch unterlegter Musik auf die Bühne.
Freitag
Mit einer aufwendigen Produktion, gespickt nicht nur mit musikalischen Highlights sondern auch durch eine sehr prunkvolle Bühnenshow mit Bühnenbild, Lightshow, dem Einsatz von Nebel und Pyrotechnik trat GROBSCHNITT als vielleicht der Top Act des Festivals am Freitag auf die Bühne.
Nach der dreistündigen Aufführung, kam es mir so vor als hätte die Band jahrelang nach einer solchen Möglichkeit gesucht ihre musikalischen Vorstellungen in dieser Art zu realisieren und sie einem solch erfahrenen Publikum vorzustellen. Als optisches Sahnehäubchen hätte mir nur noch der Einsatz von zwei oder drei Laserprojektoren gefehlt.
Für mich war es der beste Auftritt der Band in dieser Besetzung und die Spitzenband des Freitags. Obwohl auch zu den anderen Bands des zweiten Tags das Ein oder Andere berichtenswert war, so konnten ihre Darbietungen meiner Meinung nach nicht mit Grobschnitt mithalten.
Beachtenswert große Partykunst auf hohem Niveau, das war die Vorstellung den die Band THE MAGNIFICIENT BROTHERHOOD auf der Freak Stage ‚hinlegte’ und damit den zweiten Festivaltag beendeten. Auf diese Weise ging der zweite Tag viel zu schnell vorüber.
Samstag
Nach einem gelungenen Auftakt am Samstag mit LOUISIANA RED, dem Grand Senior des puritanischen Südstaatenblues, gefolgt, von der ewig jungen, jazzigen Musik der niederländischen Band FOCUS und der polnischen Gruppe RIVERSIDE, die 2008 auch endlich mal im Trockenen ihre Stücke offerieren konnte, betrat als angekündigter Top Act STEVE HARLEY & COGNEY REBEL das Podium.
Bereits nach den ersten drei Darbietungen verließ ich den Platz vor der Hauptbühne, weil ich nicht zur Fangemeinde dieser Band zähle, trollte ich mich eilig zur Freak Stage.
Was da von und mit SEBKHA CHOTT geboten wurde verschlug mir, rein musikalisch gesehen den Atem.
Da trat eine doch recht junge französische Band in Kostümen und Masken, die teils an Bischöfe teils an Phantomas oder an S&M erinnerten auf und brachten Musikcollagen von Metal, Punk, Funk, Tango, Jazz, Walzer bis zur Marschmusik mit ‚eingebauter’ Publikumsbeschimpfung aller Peter Handke auf die Bühne.
Eine quasi dadaistische Musik-Perfomance vom feinsten.
Die Zuschauer wurden nach vollzogener Beschimpfung aufgefordert niederzuknien, was sie nach anfänglichem Zögern und der Drohung der Band mit dem Abbruch des Konzerts, dann auch taten. Danach wurde auch prompt weitergespielt. Diese Darbietung war gewiss nichts für musikalische Weicheier, sie war sowohl für die Augen und Ohren diverser ‚Musikspezialisten’ gedacht.
Mit Lazuli und Sebkha Chott hatten die Franzosen, was die musikalischen Innovationen angeht, die Nase ganz weit vorne. Deshalb avancierten die Franzosen bei vielen zum ‚Geheimtipp’.
Damit aber wieder zurück zur Hauptbühne und zu den 'Lateinern'.
Wie formulierten diese es anno dazumal doch so treffend? Nomen est Omen und so traten die WATERBOYS, erst nach einem heftigen Regenschauer, verspätet auf.
Als angekündigter Top Act schien mir die Band mehr für die Fans vorbehalten zu sein, welche ruhige – harmonische Töne bevorzugen. Das hat sicher auch dem ein oder anderen Trucker gut gefallen.
Allerdings zu „The Whole Of The Moon“, dem ‚Megahit’ der Band, riss dann auch die Wolkendecke auf, der Mond kam zum Vorschein und ein weiteres mal löste die Magie des Berges beim Publikum „gänsehautfeelig“ aus.
Waren auch die Nächte teilweise so kalt, wie es selbst in der langjährigen Geschichte des Festivals, höchstens dreimal vorkam, so konnten sie die - durch die heißen Rhythmen entfachten - Feuer der Hippie-Kommune keinesfalls abkühlen.
Apropos heiße Rhythmen und ‚Geheimtipp’. MOTORPSYCHO und auch KORAI ÖRÖM, die sicher bei einigen Hippies bekannt sein dürften, würde ich ebenfalls unter ‚Geheimtipp’ einordnen. Während das schwedische Trio durch seine kraftvolle Spielweise bestach und alleine schon deshalb ihrem Namen Motorpsycho alle Ehre machte, ging die Band Korai Öröm gemäßigter zu Werke. Die Musik der etwa zehnköpfigen ungarische Gruppe könnte mit einiger Phantasie als „handgemachter Psycho -Techno“ bezeichnet werden. Dank Großleinwand und selbstgemachten Filmen ging die Post, von ca. drei Uhr morgens bis mindesten viertel sechs derart ab, dass fast alle Anwesenden in tranceartige Tänze verfielen und bis zum Morgenrot durchhielten. Dem konnte sich keiner entziehen einfach Super!!!
Beide Bands kamen auf ihre Weise ‚voll fett’ über die Bühne. Ein gelungener Tag mit einer noch besseren Nacht und dem darauffolgenden Morgen!
Sonntag
Der „Ruhetag“ begann mit Einlagen von zwei Bands die sich dem Witz und der Komik verschrieben haben. So spielten die drei Schweden mit dem Namen SIRQUS ALFON und die bajuwarische Gruppe WEIßWURSCHT IS schon einmal am Herzberg. Darauf folgten japanische Trommlerinnen und Trommler mit dem interessanten Namen GOCOO, der mich entfernt an ein japanisches Brettspiel erinnerte. Zur klassischen Krautrockband mit vierzigjähriger Bühnenerfahrung nämlich GURU GURU brauche ich hier wohl nicht mehr viel zu sagen, außer, dass die Altherrenriege um Herrn Neumeier mal wieder so entfesselt loslegten, als wäre der Elektrolurch hinter ihnen her. Wie war das noch mal mit dem Namen GURU GURU, was sollte der bedeuten.......???
Den krönende Abschluss setzten - wie schon des öfteren - die HERZBERG BLUES ALLSTARS. Mit einem Song der Stones "Out of Time", mit Stoppoks umgeschriebenen Lied von Fleetwood Mac "Oh Well", vielen anderen bekannten Blues-Titeln und last but not least dem Herzberg Blues, ergreifend dargeboten von Chris Farlowe und extra nur für uns -die Herzbergfamily- geschrieben, verabschiedete die Band das Herzbergfestival 2008 von der Hauptbühne.
Wäre da nicht ein kleines Feuerwerk angebracht gewesen? Wo doch fast allen Zuschauern, mich eingeschlossen, die Tränen in den Augen standen.
Die schwedische Band SIENA ROOT die auf der Freakstage auftrat, konnte ich nur noch aus der Ferne hören (klang aber sehr gut), da mittlerweile die Festivalsuppe auf mich wartete und kalt zu werden drohte.
Herzberg im Wandel
Alles fließt alles bewegt sich ( Panta rhei ), so oder so ähnlich formulierte es der griechische Philosoph Heraklit. So, oder so ähnlich verhält es sich auch mit dem Herzbergfestival. Veränderungen allenthalben, bei der Anzahl der Besucher, deren altersgemäße Zusammensetzung, die Aufteilung in Geschlechter etc... Auch bei den Bands der 68 ziger Ära werden, schon aus Altersgründen ihrer Mitglieder, tendenziell immer weniger Gruppen auf Dauer zu verpflichten sein. Viele Musiker sterben einfach weg oder ziehen sich - wie es einst Kalle Becker zu sagen pflegte – (in die „Altersheime“) zurück.
Momentan „profitieren“ wir noch von der Retrowelle d.h., dass die Tendenz besteht, bei Gruppen die als aufgelöst galten, dass diese sich wieder zusammenzufügen. Wenn auch mitunter in veränderter Besetzung, wie gegenwärtig bei Grobschnitt. Aus diesem Grund wurden auch zunehmend „jüngere“ Bands an den Berch geholt wie Porcupine Tree oder Sunja Beat. Andererseits sollten sich die Herzbergorganisatoren aber auch Gedanken darüber machen, so gezielt wie möglich die großen Bands der späten Sechziger und frühen Siebziger doch noch zu verpflichten, bevor sie nicht mehr existieren. Angedacht war ja schon einmal die Alman Brothers Band. Ich füge hier noch Yes, Osibisa, Gov`t Mule, Vanilla Fudge, Omega, Spooky Tooth, und auch noch Nektar hinzu, ohne alle noch bestehenden Old School – Bands berücksichtigt zu haben.
Also Leute beeilt euch, allzu viel Zeit bleibt nicht mehr!!!
Der Herzbergevent wird und muss sich sicher weiter verändern. Dabei ist zu bedenken, dass der Erhalt der Herzbergfamily nicht gefährdet wird und Veränderungen so vorgenommen werden, damit das Flair und die Magie erhalten bleiben.
Das gilt möglicherweise auch für die Größe der Location dessen Aufnahmefähigkeit und Kapazität. Die schon beschriebene altersgemäße Zusammensetzung des Publikums und die sich daraus ergebenden verändernden Ansprüche werden ein umdenken bzw. weiterdenken, eine qualitativ höhere Entwicklung erfordern. Wie formulierte es einer der Klassiker doch sehr treffend sinngemäß, danach führen auf einem bestimmten Punkt der Entwicklung rein quantitative Änderungen zu einem Umschlag der Qualität.
Ich bin trotz aller möglichen Bedenken und Kritik sehr optimistisch was diese Veränderungen angeht. Worauf ich meinen Optimismus gründe? Na, hatten wir dieses Jahr nicht die saubersten und gutriechendsten Toiletten, hatten wir nicht wieder eine einfühlsame Herzberg erprobte Security, deshalb an dieser Stelle sei ihnen einmal auch laut DANKE gesagt (Till sag´s weiter), war das Festival trotz mancher Hunde nicht wieder relaxed, haben wir uns nicht sofort entschuldigt wenn wir jemanden anrempelten, selbst die Polizei in ihren blau-metallic farbenen Fahrzeugen konnte sich kaum besondere Vorkommnisse aus den Rippen leiern. Zitat der Polente: Die Veranstaltung selbst ist nach Auskunft des Einsatzleiters, Polizeihauptkommissar Jürgen Feldbinder, aus polizeilicher Sicht absolut unproblematisch verlaufen. Und das bei ca. 11.000 Besucher die in den letzten Tagen das alljährliche Burg-Herzberg-Festival in Breitenbach am Herzberg verfolgten.
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Schade finde ich eigentlich nur die überflüssigen Zollkontrollen die dieses Jahr schon am Dienstag Nachmittag begannen, aber Innenminister V. Bouffier will sicher Erfolge sehen, was immer das auch sein soll!
Wen ich dieses Jahr zu meinem Erstaunen nicht gesehen habe waren die Zimmerfrauen bzw. die Zimmermänner. Sollte das ein Omen sein?
Mein Fazit: Das Festival wurde dem vierzigjährigem Jubiläum wirklich gerecht.
'Eingefangene' Stimmen einiger Besucher:
"Die Musik macht keinen Unterschied zwischen Hautfarben, Religionen, Alter und Gesellschaftsschichten. Sie verbindet Menschen auf der Ganzen Welt. Sie ist der Ausdruck von Erfahrungen und Empfindungen einer Epoche, Kultur oder des persönlichen Künstlers selbst, die mittels Rhythmik und Klang weitererzählt wird."
Die Musik und der Freigeist treibt uns vorwärts...welch ein tolles Festival dieses Herzberg - Festival! Einmalig ist es!
Auch nicht neu wäre folgende Erfahrung: Nichts bleibt wie es ist, nichts ist für die Ewigkeit! Bewahren wir uns also gemeinsam, für diese kurze Zeit im Jahr, den Berg für gegenseitiges Verständnis!
Um gute Musik zu entdecken, alte, bekannte Bands wieder zu sehen und Menschen unterschiedlichster Colour die Hand zu schütteln.
und nicht vergessen
MUSIK IST DAS BESTE.
Love & Peace
Hozimoe