Auf der Nebel-Reise
Samstag Abend, 20 Uhr, irgendwo in Deutschland, ein Saal, eine Bühne, ca. 170 Besucher:
Von der Bühne steigen erste Nebelschwaden auf, langsam füllt sich der Saal mit Nebel. Erwartungsvolle Stille macht sich beim Publikum breit. Sechs Musiker schleichen sich verhüllt vom Nebel auf ihre Plätze auf der Bühne.
Ein erster Trommelschlag durchbricht die Stille, auf der Bühne blauweißes Licht, zwei SEK-Kräfte mischen den Saal auf..... Die Show läuft.
Aber diese Story beginnt schon viel früher. Sehr viel früher.
Monate waren schon vergangen. Lange Tage an denen die Musiker geprobt hatten, Stücke wieder und wieder gespielt wurden, das Lichtequipment immer wieder anders aufgebaut wurde, die Show minutiös vorprogrammiert wurde.
Diese Story beginnt 2 Tage vor der Show, Donnerstag Mittag.
Ich fahre zur Probehalle wo das ganze Equipment zum Transport bereit steht. Tor auf, LKW vor die Halle fahren und einladen. Klingt unspektakulär, ist es auch. Arbeit halt. Ca. 2,5 Tonnen Material im LKW verstauen, gut sichern. Soll ja auch noch funktionieren wenn die Show dann läuft.
2 Stunden später ist dann alles gepackt. Kontrollblick durch die Halle und alle Ecken, „Nichts vergessen?“
OK, das war's für heute. Im Laufe des Abends gesellt sich noch meine Lichtfee dazu. Die kommt erst morgen in den LKW, heute darf sie noch bei mir ins Bett.
Freitag Morgen:
Wir wollen entspannt anreisen, vor der Rush Hour den Kölner Ring passieren. Also Abfahrt 10.00 Uhr. Nochmal einen Kontrollblick über die Ladung, persönliche Dinge einladen und los geht’s. Die Fahrt läuft, sogar am Leverkusener Kreuz kein Stau. Um 12.30 sind wir schon am Hotel. Einchecken, etwas Essen. Da klingelt das Telefon. Wir können schon früher als geplant mit dem Aufbau beginnen. Nicht erst ab 18.00 Uhr. Also los zum Veranstaltungssaal.
Um 15 Uhr beginnen wir mit dem Ausladen.
Bevor wir Anfangen noch eine feste Umarmung und einen lieben Kuss, ab jetzt gilt Kampfmodus. In den folgenden Stunden werden wir uns anmeckern, uns teilweise beschimpfen und und und... Alles für die Show und im Bewusstsein das wir uns lieb haben. Das Ergebnis zählt!
Nach einer halben Stunde ist alles im Saal. Lampen aufhängen, verkabeln, immer wieder das bereits aufgebaute testen. Nach fünf Stunden ist das Licht installiert, die Lichtfee am Regierechner fährt nochmal die ganze Show ab. Unterdessen bereite ich die Tontechnik vor.
6 Bühnenmonitore, Strom für die Musiker, Kabel für die Tonsignale aller 6 Musiker. Am Ende sind es neben den drei Gesangsmikrofonen noch 11 weitere Mikrofone für Schlagzeug und Gitarren, drei Signalkabel für Keyboard, zwei für Bassgitarre und Basspedal. DI-Boxen. Insgesamt 17 Signalquellen. Plus Einspieler für Vorprogramm etc. Ach ja, Ernie braucht ja auch noch ein Headset....
Um 23 Uhr machen wir heute Feierabend. Nach einer kalten Dose „Hühner-Nudeltopf“ und einem trockenen Brötchen vom Frühstück liegen wir um Mitternacht endlich im Hotelbett. Die Knochen und Muskeln rebellieren.
Samstag, der Tag der Show:
Um 8 Uhr sitzen wir beim Frühstück. Um 9 Uhr wieder im Saal. Die Knochen und Muskeln rebellieren immer noch.
Alle Kabel ordentlich verlegen, Kabel auf der Bühne fixieren damit das Showteam nicht stolpert. Nebelmaschinen füllen. Langsam werden die Muskeln wieder frei.
Da wir die Front-PA (Saalbeschallung) vom Haus benutzen, muss diese mit an unser Mischpult angeschlossen werden. Das selbe gilt für die Lichtanlage vom Haus, die wir teilweise mitbenutzen wollen. Nach zwei Stunden ist alles gepached und läuft. Noch den Laser montieren, ausrichten, Sicherheitszonen fürs Publikum einrichten (hier wird der Bereich in dem Publikum vom Laserstrahl erfasst wird mit verringerter Leistung gefahren um eine Gefährdung auszuschließen). Geht der Notaus Taster? Alles OK.
Ab 14 Uhr trudeln die ersten von der Band ein. Technik steht. Die Musiker bauen ihre Anlagen auf. „Hast du mal ein XYZ Kabel?“, „Ich brauch noch ne Saftlatte“... , tönt es jetzt von der Bühne. Ein Griff, ein Wurf, „Hepp“. Läuft.
Erste Klänge von der Bühne. Der Moment für den wir das hier machen!!!
Soundcheck, warm spielen, letzte Hänger der Generalprobe werden nochmal durchgespielt.
Unterdessen räumen wir unsere Transportkisten aus dem Saal.
Noch 30 Minuten bis zum Einlass. Auf der Bühne ein leises „Klack“ und die Hälfte des Lichtes ist aus. Was war das. Eine Sicherung ist raus. Eine Birne durchgebrannt. Neue Birne, kein Problem. Schnell getauscht. Aber, Mist, der Dimmer ist mit gestorben. Dauerlicht gelb hinten links. Das krieg ich in 30 Minuten nicht mehr hin. Zumindest ist das Risiko zu groß noch mehr zu verlieren. Entscheidung zu Gunsten der Sicherheit: Lampe gestorben.
Letzter Akt vor der Show, Pyrotechnik auf der Bühne vorbereiten. Zünder stellen, Effekte anschließen, Zündkreis messen, Zünder in „Safe“-Position.
Letzter Rundgang, alle in Position? Noch irgendwelche Probleme? OK, GO!
Von der Bühne steigen erste Nebelschwaden auf, langsam füllt sich der Saal mit Nebel. Erwartungsvolle Stille macht sich beim Publikum breit. Sechs Musiker schleichen sich verhüllt vom Nebel auf ihre Plätze auf der Bühne.
Ein erster Trommelschlag durchbricht die Stille, auf der Bühne blauweißes Licht, zwei SEK-Kräfte mischen den Saal auf..... Die Show läuft.
Ab jetzt muss alles nach Zeitplan ablaufen. Drei Stunden Show, geplant, wieder und wieder gedanklich durchgegangen, ab jetzt läuft die Show, kein Halt!
Schon nach den ersten Takten ist das Publikum dabei, dafür haben wir bis hier geschuftet ohne Rücksicht auf unsere inzwischen auch nicht mehr jugendlich frischen Körper.
23.00 Uhr, der Gig ist Geschichte. Nach der Show ist vor der Show. Alles muss wieder nach Hause. Auch unsere Technik. Die Musiker packen ihre Anlagen wieder ein und auch wir müssen alles wieder transportfähig machen. Hunderte von Kabeln einsammeln, aufwickeln. Scheinwerfer, Boxen etc. abnehmen und in Cases packen. Die Band packt ordentlich mit an während im Saal noch die Aftershow-Party läuft. Um 2.30 machen wir Feierabend, der Rest muss bis morgen warten. Um 3.00 sind wir im Hotelbett. Die Knochen und Muskeln rebellieren noch mehr als letzte Nacht und der Hühner-Nudel-Topf war nur ein Graupeneintopf. Vergriffen, Mist, egal.
Sonntag, der Tag nach der Show:
Um 8 Uhr sitzen wir im Hotel am Frühstückstisch, 4 ½ Stunden Schlaf. Muss reichen!
Ein Zuschauer von gestern Abend ist auch beim Frühstück, bedankt sich für die tolle Show.
Markus will um 9.00 Uhr helfen um den Rest abzubauen und einzuladen. Fast zeitgleich treffen wir am Saal ein. Die restlichen Lampen und Kabel sind schnell abgehängt, der LKW zügig beladen. Hier geht alles ebenerdig zu rollen, keine Treppen. Und der Körper rebelliert nach 30 Minuten auch nicht mehr. Um 11.00 Uhr ist alles fertig geladen und meine Lichtfee und ich haben endlich etwas Zeit das Umfeld der Location kurz zu geniessen. Noch zweieinhalb Stunden Fahrt, ein Mittagessen beim Griechen und wir sind wieder im Stall.
Der späte Mittagsschlaf den wir uns jetzt um 17 Uhr gönnen endet Montag Morgen um 7.00 Uhr.
Und für was tun wir das? For the glory and for the fun, not for the money. (Welches Money

)
Nein, es sind wirklich die Momente, die du sonst nirgendwo bekommst. Nicht für Geld und nicht für gute Worte. Backstage erleben, nicht nur sehen. Ein Teil des Ganzen zu sein! An Proben teil zu haben bei denen manchmal Dinge passieren die kaum zu beschreiben sind: Musiker, die einfach ihre Instrumente tauschen und drauf los spielen, Sessionen voller Improvisation und Spielfreude. Und nicht zuletzt die zufriedenen Zuschauer.
Das ist unser Lohn, dafür tun wir das und dafür sind wir unendlich dankbar.
Danke an die Band und Danke an die glücklichen Gäste.
Und Danke an alle die mir mein oft garstiges Wesen verzeihen........
Ein bisschen Statistik:
Material: ca. 2500 kg, je zweimal ein- und ausladen, auf- und abbauen
Einsatzdauer: Freitag 10.00 Uhr bis Sonntag 15.00 Uhr = 53 Stunden
davon
Arbeitszeit: 27 Stunden
Fahrtzeit: 8 Stunden
Schlafzeit: 11 Stunden
½ Kiste Cola, div. Energy Drinks, Kaffee, 2 Dosen Hühner-Nudel-Topf.....
und eine Fleischwurst vor Publikum!
170 glückliche Gesichter für 3 Stunden = 510 glückliche Gesichtsstunden