Two in one - Doppelrezi Dortmund & Offenbach 2010
- Günni
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Two in one - Doppelrezi Dortmund & Offenbach 2010
Sie hatte lange gedauert, die grobschnittlose Zeit im Jahre 2010. Nach einem wahren Konzertmarathon im Frühjahr sollte es Herbst werden, bis unsere geliebte Kultband wieder ins Rampenlicht trat. Entsprechend hoch waren zugegebenermaßen die Erwartungen der Fans - hinzu kam, dass das erste Konzert der Groben nach der Sommerpause an einem für die Band historisch bedeutsamen Ort stattfand: in der Dortmunder Westfalenhalle hatte vor über 30 Jahren jener legendäre Fernsehauftritt stattgefunden, der schließlich von den telegenen Rockfans jener Tage zum „Rockpalast-Auftritt des Jahres“ gekürt wurde.
Verschmitzt erinnert sich Sänger und Laminatgitarrenvirtuose Willi Wildschwein an dieses Festival. Es hatte wohl Zoff mit der Fernsehcrew gegeben; ein Kameramann hatte gar verstimmt seine Ausrüstung gepackt und war auf Nimmerwiederfernsehen entschwunden. Somit wurde das „Grobschnitt“-Konzert damals mit nur zwei Kameras mitgeschnitten. Aber anscheinend war die legendäre Optik der Grobschnitt-Gigs dennoch mehr als nur ausreichend für einen Kult gewordenen TV-Gig. Mit Schalk in Stimme und Augen berichtete Willi weiter, wie hübsch es war, dass nach all den Querelen mit dem Rockpalast-Team Chefredakteur Peter Rüchel später „Grobschnitt“ als Sieger des Polls „Konzert des Jahres“ verkünden musste - ich gebe es unumwunden zu: dieses Gesicht hätte ich zu gerne auch selbst gesehen.
Trotzdem scheinen die Wogen zwischen dem WDR und „Grobschnitt“ sich im Laufe der Jahre doch geglättet zu haben. Zwar hieß es im Jahre 2010 zu Konzertbeginn nicht „German Television proudly presents… „Grobschnitt“!!!“, doch immerhin war ein Fernsehteam vor Ort und interviewte die Band. Einen Mitschnitt dieses Konzerts gab es anscheinend wieder nicht - leider!
Es wäre schon reizvoll, den ‚78er „Rockpalast“ mit einer aktuellen Liveshow bequem vom Fernsehsessel aus vergleichen zu können.
Wurden die acht Musiker also nun den hohen ERwartungen gerecht? Ein guter Ruf verpflichtet - und „Grobschnitt“ weiß das.
Wieder einmal zeigte die Gruppe den Besuchern in der ausverkauften (!!!) Halle, was eine Harke ist. Über drei Stunden wurde hier auf höchstem Niveau gerockt. Die Band beließ es aber, wie gewohnt, nicht dabei, ihr Erfolgskonzept der laufenden Jubiläumstour einfach abzuspulen. Deutlich hörbar hatte man an den Stücken gefeilt, neue Elemente eingebracht und das Zusammenspiel weiter perfektioniert. Hier wird es dann interessant, die beiden ersten Herbstkonzerte des aktuellen Tourjahres direkt zu vergleichen, denn unmittelbar eine Woche nach der Westfalenhalle rockten die lebenden Krautlegenden auch das „Capitol“ zu Offenbach.
Sicherlich bot die Gruppe eine mitreißende, überzeugende Show in Dortmund, und wohl kaum einer der über 2100 Zuschauer wurde wohl völlig enttäuscht. Im Gegenteil: die Stimmung war fantastisch und wurde nur durch vollkommen überfordertes Catering in der Halle getrübt.Gerade aber die neueren Elemente in den Stücken wirkten in Dortmund noch eher verhalten, während sie in Offenbach dann in vollem Glanz erstrahlten.
Zunächst einmal hatte Gitarrero Nuki Danielak im Soloteil des groben Klassikers „Solar Music“ einen neuen, ruhigen Part eingeflochten - der klingt ein wenig wie „Grobschnitt goes to the Dark Side of the Moon“. In der Westfalenhalle zeigte sich Nuki an dieser Stelle eher zurückhaltend, im Capitol erklang diesr Part, als wäre er schon seit Jahren integraler Bestandteil des grobschnittigen Magnum Opus. Im Finale jener bombastischen Suite ist nun gar ein Personalwechsel zu verbuchen: die letzten ekstatischen Minuten des musikalischen Sonnentanzes werden an der Schießbude nun von Schlagwerker Demian Hache getragen. Der extrabreite Maestro Ralf Top Sahne Möller räumte just an dieser markanten Stelle seinen Platz für die jüngere Generation. Die beiden Rhythmiker ergänzen sich im ganzen „Grobschnitt“-Set sehr effektiv. Während Admiral Top Sahne eher für brachiale, aber punktgenaue Poer-Rhythmik zuständig ist und sein Set gerne mal verprügelt, ist Demian eher der feinsinnige, filigrane und melodieorientierte Trommler. Nicht umsonst übernimmt er den Schlagzeugpart in „Severity Town“, jenem flirrenden Stück aus „Rockpommel’s Land“, das von vertrackten Rhythmus- und Tempiwechseln lebt, zwischen Poetik und Skurrilität hin- und herwandert und eben weniger eine Powernummer ist.
Aber wie passt dieser Stil ausgerechnet zu jenem kraftvollen, ausufernden Klanggewitter, in dem alle Emotionen der vorherigen Konzertstunden nochmal aus dem Zuhörer herausbrechen können und dürfen, wo Klanggewalt und Ekstase Hand in Hand gehen?
In Dortmund vermisste ich die Urgewalt der Möllerschen Drum-Exzesse an dieser Stelle noch. Sicher - brillant und gefühlvoll, wie Demian hier die Felle bearbeitete, aber es kam für mich einem Schritt zurück gleich, es trieb die übrigen Musiker nicht so zwingend zu jenen wilden Klangkaskaden, nahm eher Druck aus dem Arrangement. In Offenbach hingegen zeigte der Benjamin der Band dann eindrucksvoll, dass er die nötige Power durchaus aufbringt, seinen ganz persönlichen Stil einbringen kann und, seine Filigranität beibehaltend, das Stück bis zum Ende zu einem Molto Furioso vorpeitschen kann.
Aber halt - es geht mir hier nicht um Vergleiche der Musiker, wer etwa was besser könne als der andere - entscheidend ist vielmehr, dass diese Musik lebt, nicht nur ständig reproduziert wird. Vielmehr arbeiten die Musiker unermüdlich an diesen beeindruckenden WErken und ich finde es sehr mutig, dass man sich bei Weitem nicht auf Bewährtes verlässt, sondern immer wieder Neues ausprobiert. Das hebt „Grobschnitt“ auch von vielen anderen Bands ähnlicher Couleur ab - und das macht natürlich gespannt auf die weiteren Konzerte, die noch folgen werden.
Diese beiden Gigs im Herbst waren jedenfalls begeisternde Events und das große Verdienst der Gruppe ist es einfach, diese Stücke, die zum Teil mehr als 20 bis 30 Jahre auf dem Buckel haben, so frisch erklingen zu lassen, als hätten sie erst gerade das Licht der Rockwelt erblickt. Dass die Groben nach über 18 Jahren Funkstille kein Club-Act geworden sind, sondern solche Hallen wie die „kleine“ Westfalenhalle und das Capitol füllen können, ist wirklich verdient. Ich für meinen Teil wünsche mir für die Zukunft noch viele solcher tollen Events mit Willi Wildschwein, einer Rockröhrre vor dem Herrn, Milla Kapolke, dem melodieorientiertesten Power-Bassisten aus deutschen Landen, den ich kenne, Nuki Danielak und Manu Kapolke, dem versierten und beseelten Gitarren-Doppel, Tatti Tattva, der wie ein Supertramp durch alle Gefilde der Keyboardwelt hitch-hiket, Toni Moff Mollo, der Licht und Stimme in immer neuem Glanz erstrahlen lässt, Demian Hache und Rolf Möller, deren Herzschlag einfach der Rhythmus ist, erleben. Da aber „Grobschnitt“-Happenings aus weit mehr als nur Musik bestehen, darf man natürlich Harro und seine Crew, sowie alle Techniker, Pyrospezialisten, Schauspieler und Showmen/-women, Kostüm- und Bühnenbildner und -bildnerinnen nicht vergessen! Sie alle machen „Grobschnitt“ zu dem, was wir alle so lieben: einem Gesamtkunstwerk!
Go for Love - Günni
Verschmitzt erinnert sich Sänger und Laminatgitarrenvirtuose Willi Wildschwein an dieses Festival. Es hatte wohl Zoff mit der Fernsehcrew gegeben; ein Kameramann hatte gar verstimmt seine Ausrüstung gepackt und war auf Nimmerwiederfernsehen entschwunden. Somit wurde das „Grobschnitt“-Konzert damals mit nur zwei Kameras mitgeschnitten. Aber anscheinend war die legendäre Optik der Grobschnitt-Gigs dennoch mehr als nur ausreichend für einen Kult gewordenen TV-Gig. Mit Schalk in Stimme und Augen berichtete Willi weiter, wie hübsch es war, dass nach all den Querelen mit dem Rockpalast-Team Chefredakteur Peter Rüchel später „Grobschnitt“ als Sieger des Polls „Konzert des Jahres“ verkünden musste - ich gebe es unumwunden zu: dieses Gesicht hätte ich zu gerne auch selbst gesehen.
Trotzdem scheinen die Wogen zwischen dem WDR und „Grobschnitt“ sich im Laufe der Jahre doch geglättet zu haben. Zwar hieß es im Jahre 2010 zu Konzertbeginn nicht „German Television proudly presents… „Grobschnitt“!!!“, doch immerhin war ein Fernsehteam vor Ort und interviewte die Band. Einen Mitschnitt dieses Konzerts gab es anscheinend wieder nicht - leider!
Es wäre schon reizvoll, den ‚78er „Rockpalast“ mit einer aktuellen Liveshow bequem vom Fernsehsessel aus vergleichen zu können.
Wurden die acht Musiker also nun den hohen ERwartungen gerecht? Ein guter Ruf verpflichtet - und „Grobschnitt“ weiß das.
Wieder einmal zeigte die Gruppe den Besuchern in der ausverkauften (!!!) Halle, was eine Harke ist. Über drei Stunden wurde hier auf höchstem Niveau gerockt. Die Band beließ es aber, wie gewohnt, nicht dabei, ihr Erfolgskonzept der laufenden Jubiläumstour einfach abzuspulen. Deutlich hörbar hatte man an den Stücken gefeilt, neue Elemente eingebracht und das Zusammenspiel weiter perfektioniert. Hier wird es dann interessant, die beiden ersten Herbstkonzerte des aktuellen Tourjahres direkt zu vergleichen, denn unmittelbar eine Woche nach der Westfalenhalle rockten die lebenden Krautlegenden auch das „Capitol“ zu Offenbach.
Sicherlich bot die Gruppe eine mitreißende, überzeugende Show in Dortmund, und wohl kaum einer der über 2100 Zuschauer wurde wohl völlig enttäuscht. Im Gegenteil: die Stimmung war fantastisch und wurde nur durch vollkommen überfordertes Catering in der Halle getrübt.Gerade aber die neueren Elemente in den Stücken wirkten in Dortmund noch eher verhalten, während sie in Offenbach dann in vollem Glanz erstrahlten.
Zunächst einmal hatte Gitarrero Nuki Danielak im Soloteil des groben Klassikers „Solar Music“ einen neuen, ruhigen Part eingeflochten - der klingt ein wenig wie „Grobschnitt goes to the Dark Side of the Moon“. In der Westfalenhalle zeigte sich Nuki an dieser Stelle eher zurückhaltend, im Capitol erklang diesr Part, als wäre er schon seit Jahren integraler Bestandteil des grobschnittigen Magnum Opus. Im Finale jener bombastischen Suite ist nun gar ein Personalwechsel zu verbuchen: die letzten ekstatischen Minuten des musikalischen Sonnentanzes werden an der Schießbude nun von Schlagwerker Demian Hache getragen. Der extrabreite Maestro Ralf Top Sahne Möller räumte just an dieser markanten Stelle seinen Platz für die jüngere Generation. Die beiden Rhythmiker ergänzen sich im ganzen „Grobschnitt“-Set sehr effektiv. Während Admiral Top Sahne eher für brachiale, aber punktgenaue Poer-Rhythmik zuständig ist und sein Set gerne mal verprügelt, ist Demian eher der feinsinnige, filigrane und melodieorientierte Trommler. Nicht umsonst übernimmt er den Schlagzeugpart in „Severity Town“, jenem flirrenden Stück aus „Rockpommel’s Land“, das von vertrackten Rhythmus- und Tempiwechseln lebt, zwischen Poetik und Skurrilität hin- und herwandert und eben weniger eine Powernummer ist.
Aber wie passt dieser Stil ausgerechnet zu jenem kraftvollen, ausufernden Klanggewitter, in dem alle Emotionen der vorherigen Konzertstunden nochmal aus dem Zuhörer herausbrechen können und dürfen, wo Klanggewalt und Ekstase Hand in Hand gehen?
In Dortmund vermisste ich die Urgewalt der Möllerschen Drum-Exzesse an dieser Stelle noch. Sicher - brillant und gefühlvoll, wie Demian hier die Felle bearbeitete, aber es kam für mich einem Schritt zurück gleich, es trieb die übrigen Musiker nicht so zwingend zu jenen wilden Klangkaskaden, nahm eher Druck aus dem Arrangement. In Offenbach hingegen zeigte der Benjamin der Band dann eindrucksvoll, dass er die nötige Power durchaus aufbringt, seinen ganz persönlichen Stil einbringen kann und, seine Filigranität beibehaltend, das Stück bis zum Ende zu einem Molto Furioso vorpeitschen kann.
Aber halt - es geht mir hier nicht um Vergleiche der Musiker, wer etwa was besser könne als der andere - entscheidend ist vielmehr, dass diese Musik lebt, nicht nur ständig reproduziert wird. Vielmehr arbeiten die Musiker unermüdlich an diesen beeindruckenden WErken und ich finde es sehr mutig, dass man sich bei Weitem nicht auf Bewährtes verlässt, sondern immer wieder Neues ausprobiert. Das hebt „Grobschnitt“ auch von vielen anderen Bands ähnlicher Couleur ab - und das macht natürlich gespannt auf die weiteren Konzerte, die noch folgen werden.
Diese beiden Gigs im Herbst waren jedenfalls begeisternde Events und das große Verdienst der Gruppe ist es einfach, diese Stücke, die zum Teil mehr als 20 bis 30 Jahre auf dem Buckel haben, so frisch erklingen zu lassen, als hätten sie erst gerade das Licht der Rockwelt erblickt. Dass die Groben nach über 18 Jahren Funkstille kein Club-Act geworden sind, sondern solche Hallen wie die „kleine“ Westfalenhalle und das Capitol füllen können, ist wirklich verdient. Ich für meinen Teil wünsche mir für die Zukunft noch viele solcher tollen Events mit Willi Wildschwein, einer Rockröhrre vor dem Herrn, Milla Kapolke, dem melodieorientiertesten Power-Bassisten aus deutschen Landen, den ich kenne, Nuki Danielak und Manu Kapolke, dem versierten und beseelten Gitarren-Doppel, Tatti Tattva, der wie ein Supertramp durch alle Gefilde der Keyboardwelt hitch-hiket, Toni Moff Mollo, der Licht und Stimme in immer neuem Glanz erstrahlen lässt, Demian Hache und Rolf Möller, deren Herzschlag einfach der Rhythmus ist, erleben. Da aber „Grobschnitt“-Happenings aus weit mehr als nur Musik bestehen, darf man natürlich Harro und seine Crew, sowie alle Techniker, Pyrospezialisten, Schauspieler und Showmen/-women, Kostüm- und Bühnenbildner und -bildnerinnen nicht vergessen! Sie alle machen „Grobschnitt“ zu dem, was wir alle so lieben: einem Gesamtkunstwerk!
Go for Love - Günni
Zuletzt geändert von Günni am 22.10.2010, 08:13, insgesamt 1-mal geändert.
...ich lese nur mit. Lange Beiträge sind nicht mein Ding.
Günni is back! Danke!
Offenbach scheint Dortmund noch übertroffen zu haben. Kann man eigentlich nur glauben, wenn man selbst erlebt hat, wieviel unerwartetes Steigerungspotenzial in der Band steckt. Und das selbst wenn man überzeugt war, dass die 100% Marke bereits geknackt ist. Eigentlich hatte ich bisher fast immer das Gefühl mehr geht nicht.
Wo steht oder schwebt man der Logik folgend in Neuss?
Gruß
rec
Offenbach scheint Dortmund noch übertroffen zu haben. Kann man eigentlich nur glauben, wenn man selbst erlebt hat, wieviel unerwartetes Steigerungspotenzial in der Band steckt. Und das selbst wenn man überzeugt war, dass die 100% Marke bereits geknackt ist. Eigentlich hatte ich bisher fast immer das Gefühl mehr geht nicht.
Wo steht oder schwebt man der Logik folgend in Neuss?
Gruß
rec
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